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* 1484, Riva / Italien
† 1558, Agen / Frankreich

Dichtungstheoretiker

Julius Scaligers postum erschienene Dichtkunst gilt als die einflußreichste Regelpoetik ihrer Zeit. Geprägt vom Humanismus und der italienischen Spätrenaissance, stellt Scaliger Normen für das literarische Schaffen auf, die sich vor allem an die Poetik des Aristoteles anlehnen.

Diese Orientierung an den Schriften des Aristoteles ist jedoch nicht durchgängig. Scaliger zielt auf eine Synthese klassischer Poetiken und Rhetoriken. So ist der Einfluß der Dialoge Phaidros und Ion von Platon nicht zu übersehen. Ihnen entnimmt er die Vorstellung einer göttlichen Inspiration des Dichters. Auch Horaz‘ Lehre vom moralischen Nutzen der Dichtung im Gegensatz zur aristotelischen Katharsis nimmt Scaliger in sein Denkgebäude auf. Die Mimesis, bei Aristoteles zentraler Aspekt der Dichtung, wird bei ihm zum bloßen Mittel. Und auf der obersten Sprosse der Stufenleiter der literarischen Gattungen steht das Epos und nicht die Tragödie, womit die Prosa noch ausgeschlossen ist. Eine weitere Besonderheit ist die Idee, die Dichtung durch Verwendung der Versform zu bestimmen. Bei Aristoteles spielt dies nur eine sekundäre Rolle.

Obwohl sie als Leitfaden für die neulateinische Dichtung gedacht war, hat Scaligers Dichtkunst vor allem auf die volkssprachliche Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts Einfluß genommen. In Deutschland nahmen hauptsächlich das Barock und die frühe Aufklärung seine Impulse auf. Zu nennen sind hier vor allem Opitz und Gottsched.

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Sekundärliteratur