Völkisch-nationale Literatur (1890 - 1945)

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Es herrscht in der Literaturwissenschaft kein Konsens, wie die Grenzen dieses Komplexes einer kleinbürgerlichen Literatur der Antimoderne genau zu ziehen sind. Ketelsen spricht von einer "völkisch-national-konservativen und nationalsozialistischen Literatur" in der Zeit von 1890 bis 1945. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen literarischen Strömungen, die hier zusammengefasst sind, sind Antimodernismus und antidemokratische Tendenzen. Große wie leere Vokabeln umreißen das Motiv der völkischen Opposition: Heimat, Blut und Boden, und Nation.

Mit dem Sammelbegriff werden verschiedene Phasen und Richtungen vereint; vor allem sind dies die frühe "Heimatkunstbewegung" im Umkreis von Ludwig Ganghofer, Hermann Stehr und Hermann Löns, die Literatur der "konservativen Revolution", die "Blut- und Boden-Literatur" und die "soldatische Literatur" (die Kriegs- und Freikorpsromane von Walter Beumelburg, Erich Edwin Dwinger, Ernst von Salomon u.a.). Wir finden in der völkisch-nationalen Literatur weniger geschlossene Theorieentwürfe als eine Fundamentalopposition gegen die Literatur des Naturalismus, gegen die Großstadt als "Ort der Moderne" und deren dekadente Literatur, gegen die Schmach von Versailles und die Gefahr der Amerikanisierung ("Verniggerung"). Der antiindustrielle Romantizismus, die Beschwörung von Schwelle, Scholle und Wurzel, von Nähr- und Wehrstand, der regressive Eskapismus (die Flucht in angeblich heile Ganzheiten), die Erzählung vom "Segen der Erde" oder dem "einfachen Leben" war oft auch mit Antisemitismus und Verherrlichung der germanischen Rasse verbunden.

Auch wenn die Erzählungen, Balladen und Weltanschauungsromane sich in der Regel traditionsorientierter Muster bediente, konnte sich die antimoderne Geschichtsdeutung auch mit modernen Literaturkonzepten verbinden.

Nationalistische und reaktionäre Autoren schlossen sich schon in den Jahren der Weimarer Republik zu Interessenverbänden zusammen, beispielsweise in dem 1927 von Alfred Rosenberg gegründeten "Kampfbund für deutsche Kultur". Auch die bekanntesten Werke der völkisch-nationale Literatur, die 1933 zur Staatsliteratur erhoben wurde, sind schon vor 1933 erschienen: Adolf Bartels' Die Dithmarscher (1898), Hermann Löns' Der Wehrwolf (1910), Hermann Burtes Wiltfeber der Deutsche (1912), Hermann Grimms Kolonialroman Volk ohne Raum (1926) oder Will Vespers Das harte Geschlecht (1931).

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Sekundärliteratur