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Pamphlet

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Als Pamphlet wird in den meisten europäischen Sprachen seit dem späten Mittelalter eine politische, religiöse Streitschrift oder auch 'Schmähschrift' bezeichnet, die durch Kritik an konkreten Missständen, Angriffe auf gegnerische Personen und Forderungen nach bestimmten Maßnahmen charakterisiert ist. Dabei tritt sachliche Argumentation gegenüber der leidenschaftlichen Parteinahme, insbesondere auch dem polemischen Angriff und der persönlichen Herabsetzung des Gegners oft in den Hintergrund. Diesem Ziel werden Argumentation, Sprachstil und besonders die rhetorische Ausgestaltung untergeordnet: der Herabsetzung des Gegners dienen etwa Verkleinerungsformen oder Tiermetaphern. Dennoch ist die Bezeichnung 'Pamphlet' ursprünglich noch wertneutral als Bezeichnung eines Genres der politisch-religiösen Streitkultur gemeint. - Als literarische Gebrauchsform ist das Pamphlet u. a. mit der Rede und der Predigt verwandt, die ja durchaus auch polemische Elemente enthalten können.

Historisch war das Zeitalter der Religionskriege in Europa, also das 16. und 17. Jahrhundert, eine erste Blütezeit der Pamphletliteratur, die mit Hilfe der neuen Technologie des Buchdrucks als Flugblätter oder Flugschriften verbreitet wurden. So werden zwischen den Anhängern Martin Luthers und seinen katholischen Gegnern, wie etwa Thomas Murner, wahre Pamphletschlachten ausgetragen. Im 19. Jahrhundert rücken inhaltlich die "sociale Frage", also die Klassenkämpfe und die Frage der Menschenrechte ins Zentrum. Literarischen Rang gewinnen Pamphlete häufig, wenn ihre aggressiven Forderungen von sozialem Pathos getragen wird, wie etwa in Georg Büchners Flugschrift Der Hessische Landbote (1834): "Friede den Hütten, Krieg den Palästen!"; oder in Émile Zolas Presse-Aufruf J'accuse! (Ich klage an), mit dem er 1898, im neuen Medium der Tageszeitung, gegen die ungerechte Verurteilung eines jüdischen Offiziers und den latenten Antisemitismus der französischen Gesellschaft protestiert. Im 20. Jahrhundert werden die großen Konflikte der Epoche, etwa die beiden Weltkriege, von medialen Kriegszügen begleitet, in denen pamphletistische Formen (auch in Bildform oder im Rundfunk) eine nicht geringe Rolle spielen.

Im gegenwärtigen Sprachgebrauch hat der Begriff 'Pamphlet' einen eindeutig pejorativen, herabsetzenden Beiklang: man kann damit jede 'unsachliche' oder 'niveaulos argumentierende' schriftliche Stellungnahme ihrerseits abwerten. Aus einer Genrebezeichnung ist damit eine negative Wertung geworden.

© JZ

Sekundärliteratur

  • H. Grabes: Das englische Pamphlet, Tübingen 1990.
  • A. Scherer: Dichtung und Pamphlet, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 36 (1987), S.100-107.