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Peter Szondi

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* 27.05.29, Budapest
† 18.10.71, Berlin

Literaturwissenschaftler

Peter Szondi konstatiert in seiner 1967/68 gehaltenen Vorlesung Einführung in die literarische Hermeneutik, daß es eine literarische Hermeneutik gegenwärtig kaum gebe. Damit spielt er auf die Tatsache an, daß weder einschlägige Überlegungen Schleiermachers und der Frühromantiker noch die textphilologischen Verfahrensweisen der klassischen Philologie im 19. Jahrhundert in der Literaturwissenschaft eine hermeneutische Tradition begründen konnten, die sowohl der Universalität des Verstehens als auch der Spezifik des literarischen Textes hätten Rechnung tragen können. Vor diesem Hintergrund kritisiert er vor allem die verschiedenen Varianten der Schulen der werkimmanenten Interpretation. Diese behaupteten zwar, das einzelne Kunstwerk könne adäquat nur aus sich selbst verstanden werden, interessierten sich aber keineswegs für die Bedingungen, die solches Verstehen überhaupt ermöglichen. Sie seien der Ansicht, diese Problematik sei von der Fundamentalontologie in der Nachfolge Martin Heideggers hinreichend geklärt, die schließlich festgestellt habe, daß "Da-sein" Verstehen schlechthin sei. Eine erkenntniskritische Analyse ihrer "Kunst der Interpretation" (Emil Staiger) komme für sie daher nicht in Frage. Weiter kritisiert Szondi die noch immer verbreitete Auffassung, das Ziel einer jeden Interpretation sei das Einholen der Intention des Autors. Dies ist nach Szondi unmöglich, weil das Verstehen des Lesers oder Hörers immer durch seinen eigenen historischen Standort geprägt ist. Jede in diesem Sinne behauptete Objektivität ist damit eine Selbsttäuschung. Letztlich fordert Szondi von einer literarischen Hermeneutik vor allem zweierlei: Einsicht in die sprachliche Bedingtheit von Literatur (z.B. durch die Integration der strukturalen Linguistik in die literarische Hermeneutik) und die Einsicht in die historische Bedingtheit auch der literarischen bzw. philologischen Erkenntnis.

© DS und JV

Wichtige Schriften

Sekundärliteratur
  • N. Altenhofer: Geselliges Betragen - Kunst - Auslegung. Anmerkungen zu Peter Szondis Schleiermacher-Auslegung und zur Frage einer materialen Hermeneutik, in: U. Nassen (Hg.): Studien zur Entwicklung einer materialen Hermeneutik, München 1979, S. 165-211.
  • J. Bollack: Zukunft im Vergangenen. Peter Szondis materiale Hermeneutik, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 64 (1990), H. 1, S. 370-390.