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* 24.11.1632
† 20.02.1677

Philosoph

Baruch (oder auch: Benedictus) de Spinoza stammte aus einer jüdisch-portugiesischen Familie, die in die (spanischen) Niederlande ausgewandert war und darf als einer der wichtigsten Vordenker und Wegbereiter der europäischen Aufklärung gelten. Seine staatsphilosophischen Überlegungen haben die Entwicklung der bürgerlichen Demokratie vorgezeichnet; seine Naturphilosophie mit dem zentralen Gedanken einer universal schaffenden und insofern 'göttlichen' Naturkraft (anstelle eines persönlichen Gottes) hat die religiösen und naturphilosophischen Auffassungen Lessings und vor allem des jungen Goethe nachhaltig geprägt.

Für den Problemkreis der Hermeneutik ist Spinoza durch eine gewisse Relativierung des bis dahin unbefragten normativen Anspruchs der Heiligen Schrift, also der Bibel, wichtig. Als einer der ersten stellt er Reflexionen an, die längerfristig zu einer allgemeinen - und wesentlich profanen - Hermeneutik führen.

Nach Spinoza ist die Heilige Schrift nicht eigentlich als Wort Gottes zu verstehen, sondern als Verkündigung des göttlichen Willens durch Propheten - also durch Autoren, die wie alle andern irren mögen und deren Werke im Laufe der Überlieferung verändert, korrumpiert, umgedeutet, mißverstanden werden können. Um dennoch einen "sicheren" und "deutlichen" Schriftsinn erfassen zu können (so wie der Zeitgenosse René Descartes "klare" und "deutliche" Begriffe für die Philosophie und die Naturwissenschaften verlangt), ist historisch-philologische Überprüfung nötig. Um zum wahren Gehalt der Schrift - der göttlichen Offenbarung - vorzudringen, muß die "Geschichte der Schrift" rekonstruiert werden. Spinoza fordert, die interpretatio scripturae (Erkenntnis oder Deutung der Schrift) in Analogie zur Naturerkenntnis zu setzen. Damit ist ein Verfahren gemeint, das - mit modernen Begriffen gesagt - sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Wirkungsgeschichte des Textes rekonstruiert und kritisch prüft, um so zu einer tragfähigen Auslegung zu gelangen.

© DS und JV

Wichtige Schriften

Sekundärliteratur
  • R. Piepmeier: Baruch de Spinoza: Vernunftanspruch und Hermeneutik, in: U. Nassen (Hg.): Klassiker der Hermeneutik, Paderborn 1982.
  • H. Seidel: Spinoza zur Einführung, Hamburg 1994.
  • L. Strauss: Die Religionskritik Spinozas als Grundlage seiner Bibelwissenschaft, Darmstadt 1981.