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* 525/24 v. Chr, Eleusis
† 456/55 v. Chr., Gela

Hätte Aischylos wohl weiterhin an die göttliche Vorsehung geglaubt, wenn er im Voraus gewußt hätte, welch eines überaus skurrilen Todes er sterben würde? Es wird nämlich berichtet, daß er durch eine Schildkröte erschlagen wurde, die einem Raubvogel aus den Klauen fiel. Wahrscheinlich stimmt diese Geschichte nicht - aber zumindest ist sie gut erfunden. Interessant wäre diese Frage aber, weil Aischylos als erster der drei bereits zum Ende des fünften vorchristlichen Jahrhunderts kanonisierten "großen" Tragiker (vor dem eine Generation jüngeren Sophokles und dem wiederum jüngeren Euripides) noch am stärksten in einem religiösen Weltbild verankert war: Zwar ist auch bei ihm der Mensch Spielball des undurchschaubaren Willens der Götter und in tragische und aussichtslose Entscheidungssituationen geführt; aber im Gegensatz zur Weltsicht der jüngeren Dramatiker, kann der Mensch (also der dramatische Heros) in den Tragödien des Aischylos davon ausgehen, daß durch den Willen der Götter ein (ihm selbst nicht einsichtiger) Sinnzusammenhang gestiftet wird, in dem der Mensch berechtigterweise auf göttliche Gnade hoffen kann. Er soll "durch Leid lernen!", wie es im Agamemnon heißt.

Dieses letztlich doch optimistische Weltbild mag seinen Ursprung darin haben, daß Aischylos' Leben und Werk in die Zeit des Aufstiegs Athens zur politischen und kulturellen Vormacht in der Ägäis fiel (damals mehr oder weniger das Zentrum der gesamten bekannten Welt). An beiden Entwicklungen hatte Aischylos seinen Anteil. So beteiligte er sich an den beiden Schlachten bei Marathon (490 v. Chr.) und Salamis (480 v. Chr.), in denen die Hegemonie des Perserreiches gebrochen wurde; vor allem aber betätigte er sich als Reformator des Theaterwesens: Die jährlich stattfindenden Theaterfeste dienten nicht mehr nur zur Ehrung des Dionysos, sondern bald auch als Bühne für die Präsentation der athenischen Vormachtstellung in Griechenland. Die Tragödien des Aischylos zeichneten sich dabei durch eine patriotische und ausgleichende Tendenz aus.

Den damaligen Gepflogenheiten entsprechend arbeitete Aischylos nicht nur als Autor und wahrscheinlich auch als Schauspieler an der Aufführung mit, sondern war als Regisseur auch für das Einstudieren des Textes wie der vielfältigen Gesangs- und Tanzfiguren für Chor und Schauspieler zuständig, die das Publikum erwartete. Indem er den zweiten Schauspieler einführte und die Bedeutung des Chores einschränkte, gewann er Raum zu einer genaueren Zeichnung der Figuren, die allerdings nicht mit einem modernen psychologischen Realismus zu verwechseln ist. Zweifellos wirken seine Figuren auch starrer als die des Euripides. Aischylos soll auch als erster die vom Dichter geforderten und an einem Tag hintereinander aufgeführten drei Tragödien und ein Satyrspiel (eine Art heiterer Ausklang des Tages) zu einer thematischen Einheit in "Tetralogien" verbunden haben. Dadurch war es ihm etwa möglich, die Geschichte eines mythischen Geschlechts über mehrere Generationen zu verfolgen und theologische Fragestellungen auch in einem größeren Rahmen darzulegen.

Von den 80 Stücken, die Aischylos verfaßt haben soll, sind gerade einmal sieben vollständig überliefert worden. Das ist keine so geringe Zahl, wenn man bedenkt, daß von vielen anderen Dichtern, die sich an den Theaterwettstreiten beteiligt haben, oft nicht einmal die Namen, geschweige denn Textfragmente die Zeit überstanden haben. Auch dies ist der großen Beliebtheit des Aischylos bereits im 5. Jahrhundert geschuldet: Als erstem Dichter überhaupt wurde ihm postum das Wiederaufführungsrecht für seine Tragödien zugesprochen. Diese waren damit ständig auf der Bühne präsent und zwangen so die nachfolgenden Autoren, sich mit dem bald zum großen demokratischen Vorbild Stilisierten auseinanderzusetzen. Der damit zusammenhängende Einfluß auf die Entwicklung des griechischen Dramas und damit des gesamten europäischen Theaters läßt sich deshalb heute nur mehr erahnen.

© JK

Wichtige Schriften

Sekundärliteratur