Startseite Inhalt

Émile Zola

Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

* 02.04.1840, Paris
† 29.09.1902, Paris

Émile Zola ist als der wichtigste Repräsentant des naturalistischen Romans in die europäische Literaturgeschichte eingegangen. Sein Name ist aber auch mit jenem "J´accuse!" ("Ich klage an!") verbunden, mit dem der renommierte Schriftsteller sich in die Dreyfus-Affäre (1894-1906) eingeschaltet hatte. Alfred Dreyfus, jüdischer Hauptmann in der französischen Armee, war unschuldig des Landesverrats angeklagt worden. Zola stellte sich mit seinem am 13. Januar 1898 in der Zeitung L´Aurore publizierten Aufruf eindeutig auf die Seite seiner liberalen Verteidiger, denen das Lager seiner konservativen, meist antisemitischen Gegner gegenüberstand. Zola wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und ging daraufhin für ein Jahr ins englische Exil. Sein "J´accuse" markiert die Geburtsstunde des modernen Intellektuellen, der sich kritisch und an der Sache orientiert ins Gegenwartsgeschehen einmischt.

Nachdem der junge Zola zweimal durch die Literaturprüfung des Abiturs gefallen war, arbeitete er bei einem Pariser Verlag, war seit etwa 1865 als Journalist tätig und erlebte schließlich mit Thérèse Raquin (1867) seinen schriftstellerischen Durchbruch. Dieser Roman bedeutete die Abkehr von einer romantischen Literaturkonzeption. Als Inspiratoren des neuen literarischen Konzepts gelten die Brüder Goncourt, die in Germinie Lacerteux (1864) den 'vierten Stand' in Gestalt eines Hausmädchens literaturfähig gemacht hatten. In der Vorrede zur zweiten Auflage von Thérèse Raquin entwarf Zola ein naturalistisches Programm, als dessen Realisierung man den zwanzigbändigen Romanzyklus Les Rougon-Macquart (1871-1893) ansehen kann. Dessen Untertitel Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich konkretisiert das Vorhaben: Es ging darum, die gesellschaftliche Wirklichkeit des Second Empire vom Staatsstreich Napoléons III. (1852) bis zu seinem Untergang im Deutsch-Französischen Krieg (1870) darzustellen. Wie in Balzacs Projekt der comédie humaine sollte dabei das Spektrum aller sozialen Schichten und Berufsstände abgedeckt werden. Einzelne Bände des Zyklus erregten die besondere Aufmerksamkeit des Publikums. Nachdem der zeitübliche Feuilletonabdruck des Romans L´assommoir (Der Totschläger, 1877) von einem Skandal begleitet wurde, machte die Buchveröffentlichung Zola zu einem wohlhabenden Mann. Germinal (1885) wurde später von der marxistischen Literaturkritik als erster realistischer Arbeiterroman der Weltliteratur gefeiert.

Grundlage der naturalistischen Bewegung waren vor allem die positivistische Philosophie Auguste Comtes und neue naturwissenschaftliche Theorien (die Vererbungslehre nach Charles Darwin und Prosper Lucas, die Milieutheorie Hippolyte Taines und die Experimentalmedizin Claude Bernards). Der Mensch, so lassen sich diese Theorien verkürzt zusammenfassen, könne den Vorbestimmungen durch seine ererbte und soziale Herkunft nicht entgehen.

Zola verfolgte das Ziel, diese naturwissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse in der Literatur fruchtbar zu machen. Für die Figuren seiner Romane gibt es trotz heroischer Anstrengungen kein Entrinnen aus ihrem sozialen Milieu und ihrer erblichen Veranlagung. Realitätsversessen und drastisch schildert Zola die Nachtseiten des bürgerlichen Lebens mit Kriminalität, Prostitution, Erbkrankheiten und Elend des Industrieproletariats, des Kleinbürgertums und der aus der Gesellschaft Ausgestoßenen.

In seinem Landhaus in Médan nahe Paris versammelte Zola eine Reihe von Schriftstellern - unter ihnen Guy de Maupassant und Joris-Karl Huysmans - die bald als eine naturalistische Gruppe angesehen wurden. 1880 erschien ihre Textsammlung Les soirées de Médan (dt. Die Abende von Médan). Doch schon wenig später bröckelte die 'Phalanx' der Naturalisten. Mit den theoretischen Aufsätzen Le roman expérimental (1880, dt. Der Experimentalroman) geriet Zola bei seinen Mitstreitern in den Verdacht, eine Doktrin errichten zu wollen. Nur mit Mühe gelang ihm die Vollendung von Les Rougon-Macquart. In einer dritten Schaffensphase wandte er sich ab 1894 mit Trois villes (1894-98, dt. Drei Städte) und Les quatre évangiles (1899-1903, dt. Die vier Evangelien) einer Art des Sozialromans mit utopisch-sozialistischen Ideen zu.

Was Zolas Werk auszeichnet und bis heute interessant macht, ist nicht so sehr die detailgenaue Abschilderung der Wirklichkeit, die oft genug den Journalisten hinter dem Schriftsteller erkennen läßt. Im Kontrast zur naturalistischen Programmatik steht die metaphorische Aufladung seiner sprachlichen Bilder. Zu den bekanntesten zählt der legendäre "Bauch von Paris" (Le ventre de Paris, 1873), der das Hallenviertel als ein alles verschlingendes Monster zeichnet; oder die Lokomotive in La bête humaine (1890, dt. Das Tier im Menschen), die als ein mythisches Ungeheuer erscheint. Obwohl die Technik und ihre bedrohlichen Folgen für die moderne Zivilisation zu Zolas Zeit in ihrer Gesamtheit noch kaum abzuschätzen waren, werden sie hier bereits eindrucksvoll in Szene gesetzt.

© SR

Wichtige Schriften

  • Les Rougon-Macquart. Histoire naturelle et sociale d´une famille sous le Second Empire. 20 Bände, 1871-1893 dt. Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich; darunter: Le ventre de Paris (1873, dt. Der Bauch von Paris); L´assommoir (1877, dt. Der Totschläger); Nana, 1880; Germinal, 1885; La terre (1887, dt. Die Erde); La bête humaine (1890, dt. Das Tier im Menschen).
  • Les quatre évangiles (Die vier Evangelien), 1899-1903.
  • Le roman expérimental (Der Experimentalroman), 1880.

Sekundärliteratur

  • R. Daus: Zola und der französische Naturalismus, Stuttgart 1976.
  • H.U. Gumbrecht: Zola im historischen Kontext. Für eine neue Lektüre des Rougon-Macquart-Zyklus, München 1978.
  • K. Korn: Zola in seiner Zeit, Frankfurt am Main 1980.