Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik (zur Lyrik) (entstanden ab 1817)

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Im Zentrum des Überlegungen Hegels zur Lyrik steht das dichterische Subjekt, dessen individuelle Weltbegegebung und -aneignung sich im Gedicht manifestiere. Elemente der objektiven Wirklichkeit können zu lyrischen Inhalten werden, indem der Dichter sie in ihrer Wirkung auf das Subjekt thematisiert und so gewissermaßen subjektiviert:

Denn in der Lyrik ist es eben nicht die objektive Gesamtheit und individuelle Handlung [wie im Epos], sondern das Subjekt als Subjekt, was die Form und den Inhalt abgibt. Dies darf jedoch nicht etwa so verstanden werden, als ob das Individuum, um sich lyrisch äußern zu können, sich von allem und jedem Zusammenhange mit nationalen Interessen und Anschauungen losmachen und formell nur auf seine eigenen Füsse stellen müsse. Im Gegenteil, in dieser abstrakten Selbständigkeit würde als Inhalt nur die ganz zufällige und partikulare Leidenschaft, die Willkür der Begierde und des Beliebens übrigbleiben und die schlechte Querköpfigkeit der Einfälle und bizarre Originalität der Empfindungen ihren unbegrenzten Spielraum gewinnen. Die echte Lyrik hat, wie jede wahre Poesie, den wahren Gehalt der menschlichen Brust auszusprechen. Als lyrischer Inhalt jedoch muß auch das Sachlichste und Substantiellste als subjektiv empfunden, angeschaut, vorgestellt und gedacht erscheinen. Zweitens ferner handelt es sich hier nicht um das bloße Sichäußern des individuellen Inneren, um das erste unmittelbare Wort, welches episch sagt, was die Sache sei, sondern um den kunstreichen, von der zufälligen, gewöhnlichen Äußerung verschiedenen Ausdruck des poetischen Gemüts. (S. 431)

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