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Der Alexandriner läßt sich erstmalig in der französischen Epik des frühen 12. Jahrhunderts (im Roman d‘Alexandre von Lambert le Torts) nachweisen, eigentliche jedoch ist er nur eine Variante des klassischen antiken Tragödienverses (Sophokles), des jambischen Trimeters.

Seit dem 16. Jahrhundert wird der Alexandriner zum bevorzugten Vers der französischen Tragödien (Corneille / Racine), ein Jahrhundert später erklärt ihn Martin Opitz in geringfügig abgewandelter Form zum Hauptversmaß deutscher Dichtung. Und in der Tat handelt es sich beim Alexandriner um den wichtigsten Vers der barocken Verssprache – nicht nur in der Lyrik, sondern auch in Epik und Dramatik.

Der Alexandriner ist ein jambisch alternierender, sechshebiger Reimvers: er beginnt auftaktig, also mit einer unbetonten Silbe, dann wechseln sechs Hebungen mit je einer Senkung. Die sogenannte Kadenz, das Versende, kann sowohl aus einer betonten ("männlichen") als auch aus einer unbetonten ("weiblichen") Silbe bestehen. Je nach Endung ist der Alexandriner damit zwölf- oder dreizehnsilbig. In der Mitte, nach der dritten Hebung, ist der Vers durch eine Zäsur deutlich unterteilt, die zu einer antithetischen oder auch parallelen Gestaltung der beiden Vershälften einlädt.

So beispielsweise bei Gryphius in dem Gedicht Es ist alles eitell (S. 268 f.):

DU sihst / wohin du sihst nur eitelkeit auf erden.
Was dieser heute bawt / reist jener morgen ein:
Wo itzund städte stehn / wird eine wiesen sein
Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.

u - u - u - / u - u - u - u
u - u - u - / u - u - u -
u - u - u - / u - u - u -
u - u - u - / u - u - u - u

u = unbetonte Silbe
- = betonte Silbe

Die antithetischen Möglichkeiten des Alexandriners macht der zweite Vers besonders deutlich, indem das konstruktive Bauen der Städte dem destruktiven Einreißen gegenübergestellt wird. Die Querstriche, die in diesem Fall mit der Zäsur zusammenfallen, sind als von Gryphius gesetzte Satzzeichen zu verstehen, die Zäsur liegt immer in der Mitte der Verse (vgl. metrisches Schema), also nach "sihst", "bawt", "stehn" und "kind". Liest man das Gedicht laut, macht man an diesen Stellen unwillkürlich eine Pause.

Die Versenden sind in diesem Gedicht gekennzeichnet durch einen umarmenden oder Schweifreim, bei dem sich jeweils die beiden unbetonten (1. und 4. Vers) und die beiden betonten (2. und 3. Vers) Endungen miteinander reimen. Es gibt aber auch Gedichte in Alexandrinern, die in Paarreimen geschrieben sind.

©TvH

Quelle

Sekundärliteratur