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* 19.01.1809 Boston
† 07.10.1849 Baltimore

amerikanischer Schriftsteller, Literaturkritiker, Herausgeber

Das bewegte Leben Edgar Allan Poes, der sich nicht zuletzt aufgrund seines Alkoholkonsums viele Feinde machte, wurde maßgeblich durch das Zerwürfnis mit seinem Pflegevater John Allan und den frühen Tod mehrerer von ihm verehrter Frauen geprägt. Da es ihm nicht gelang, mit der geliebten Lyrik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und er es als Soldat und an der Offiziersakademie West Point nicht lange aushielt, verlegte er sich zunehmend auf die Veröffentlichung kurzer Geschichten für verschiedene Zeitschriften. Als deren de facto-Herausgeber gelang es ihm, durch seine geistreichen Rezensionen und Essays die Auflagen in die Höhe schnellen zu lassen. Der erhoffte materielle Wohlstand für sich und seine Ehefrau Virginia, die er noch vor ihrem 14. Geburtstag heiratete, und deren früher Tod ihn in eine tiefe Krise stürzte, blieb ihm jedoch versagt.

Trotz des eher schmalen, wenngleich sehr vielseitigen Oeuvres, das der im Alter von nur vierzig Jahren unter mysteriösen Umständen Verstorbene zurückließ, ist Poe heute einer der bekanntesten amerikanischen Autoren des 19. Jahrhunderts. Während seine ersten Gedichte noch von seiner Bewunderung für die englischen Romantiker zeugen, wird sein 1831 erschienener Gedichtband als herausragende Leistung gewürdigt. Zum allseits gern gesehenen Salonlöwen wurde er durch sein berühmtes Gedicht Der Rabe (The Raven, 1845). Auch in Gedichten wie Ulalume (1847) setzte er seine bahnbrechenden ästhetischen Überzeugungen um, die er in vielen Rezensionen und Essays formulierte. Poe verlangte von Gedichten, daß sie kurz, musikalisch, melancholisch und auf einen einheitlichen Effekt (unity of effect) hin ausgerichtet sein sollten. Vor allem aber befreite er - beeinflußt durch Samuel Taylor Coleridge - literarische Werke aus den damals betonten didaktischen Zusammenhängen und wies sogar die Auffassung zurück, daß sie die Gefühle des Autors ausdrücken sollten.

Nachhaltige Wirkung zeitigten vor allem die Kurzgeschichten Poes. Nicht nur legte er eine erste einflußreiche Definition dieser im Entstehen begriffenen Gattung vor, er trug auch maßgeblich zur Ausprägung der Schauergeschichte bei. In Kurzgeschichten wie Das verräterische Herz (1843), Das Fass Amontillado (1846) und Der Untergang des Hauses Usher (1839) erzählen egomanische und oft am Rande des Wahnsinns stehende männliche Charaktere schaurige Geschichten, die teilweise von Poes Vorliebe für übernatürliche Geschehnisse zeugen, teilweise als die Ausgeburt der Psyche der unzuverlässigen Erzähler gedeutet werden können. Diese Geschichten lassen sich nach herkömmlichen moralischen Maßstäben nicht beurteilen und sind für vielfältige Deutungen offen; einige von ihnen werden sogar als Satiren auf Schauergeschichten eingeschätzt. Aufgrund seiner Erzählung Der Doppelmord in der Rue Morgue (1841) gilt Poe zudem als Erfinder der Detektivgeschichte (vgl. auch Kriminalroman). Durch die Einführung des exzentrischen Detektivs und dessen schlichten Helfers, des locked room-Rätsels, der unschuldig Verdächtigten und der abschließenden langen Erläuterung des Detektivs beeinflußte er auch in Geschichten wie Der entwendete Brief (1845) und Der Goldkäfer (1843) die Entwicklung dieser Gattung maßgeblich.

Obgleich Poes große Wirkung auf die Ausprägung neuer ästhetischer Werte sowie die Entwicklung der Kurzgeschichte und von Schauer- und Detektiverzählungen nicht bestritten wird, genoß er zu Lebzeiten einen eher zweifelhaften Ruhm. Daß er teilweise mit den unzuverlässigen, obsessiven Erzählern seiner Geschichten gleichgesetzt wurde und als "mad, bad and dangerous to know" galt, mag mit dafür verantwortlich sein, daß Poes Werk in der Forschung immer noch keine ungeteilte Anerkennung findet. Im Gegensatz dazu zeigten sich berühmte Schriftsteller wie Alfred Lord Tennyson, Oscar Wilde, Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé und T.S. Eliot tief beeindruckt von diesem ebenso originellen wie einflußreichen und populären Autor, dessen unkonventionelle Werke auch heute noch nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben.

©VN

Wichtige Schriften

  • Edgar Allan Poe: Collected Writings of Edgar Allan Poe, hg. v. B.R. Pollin Boston 1981ff.
  • Edgar Allan Poe: Sämtliche Werke. Essen 2004.

Sekundärliteratur

  • H. Bloom (Hg.): Edgar Allan Poe: Modern Critical Views, New York 1985.
  • F.H. Link: Edgar Allan Poe, Frankfurt/M. 1968.
  • A.H. Quinn: Edgar Allan Poe: A Critical Biography, Baltimore/Maryland 1998 [11941].