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Martin Opitz, der mit seiner Poetik die gesamte Barockdichtung beeinflußte und vornehmlich poetologische Regeln für die lyrischen Formen aufstellte, hat auch die Tragödie, als die höchste Kunstform, in seiner Schrift Von der Deutschen Poeterey betrachtet:

"Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte gemeße / ohne das sie selten leidet / das man geringen standes personen vnd schlechte sachen einführe: weil sie nur von Königlichem willen / Todtschlägen / verzweiffelungen / Kinder- vnd Vatermorden / brande / blutschanden / kriege vnd auffruhr / klagen / heulen / seuffzen vnd dergleichen handelt. Vor derer zugehör schreibet vornehmlich Aristoteles / vnd etwas weitleufftiger Daniel Heinsius; die man lesen kan." (S. 27)

In deutlichem Kontrast dazu wird die Komödie definiert:

"Die Comedie bestehet in schlechtem wesen vnnd personen: redet von hochzeiten / gastgeboten / spielen / betrug vnd schalckheit der knechte / ruhmrätigen Landtsknechten / buhlersachen / leichtfertigkeit der jugend / geitze des alters / kupplerey vnd solchen sachen / die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen. Haben derowegen die / welche heutiges tages Comedien geschrieben / weit geirret / die Keyser vnd Potentaten eingeführet; weil solches den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft." (S.27f.)

Dieser Ausschnitt aus Opitz‘ Poetik macht deutlich, wie stark Aristoteles‘ Unterscheidung von Tragödie und Komödie – bis ins 17. und 18. Jahrhundert - fortgewirkt hat. In der Tragödie werden die Adeligen (bei Aristoteles die "guten Menschen") mit ihren erhabenen Problemen dargestellt. Es geht um Machtkämpfe, höfische Intrigen, Morde und Kriege. In der Komödie erscheinen die 'kleinen Leute' (bei Aristoteles die "schlechten Menschen") mit ihren alltäglichen Erlebnissen. Diese reichen von Hochzeiten, Kuppeleien, Betrügereien über Liebesgeschichten, Jugendsünden bis zu den Absonderlichkeiten des Alters. Als 'Ständeklausel' zieht sich diese Trennung des Personals für die Tragödie und die Komödie durch die Geschichte der Dramatik. Erst mit Lessings Konzept des bürgerlichen Trauerspiels beginnt eine schrittweise Überwindung dieser Vorschrift. Ihre Mißachtung wird von Opitz noch als Regelverstoß gewertet.

©rein

Quelle

  • Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey, hg. v. Cornelius Sommer, Stuttgart 1970.