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James Joyce

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* 2.2.1882, Dublin
† 13.01.1941, Zürich

irischer Schriftsteller und Journalist

Im Dubliner Stadtteil Rathgar wird James Augustine Joyce am 2. Februar 1882 als ältester überlebender Sohn des Zinseintreibers John Stanislaus Joyce und seiner Frau Mary Jane geboren. Seine Jugend in der zwölfköpfigen Familie ist geprägt durch ständige Wohnungswechsel, permanente Geldnot und eine streng katholische Erziehung. Für das Amt des Priesters bestimmt, wendet er sich jedoch schon früh vom katholischen Glauben ab. 1904 reist Joyce mit seiner Lebensgefährtin Nora Barnacle nach Triest, um - wie so viele Schriftsteller mit irischen Wurzeln - der heimatlichen Enge zu entfliehen. In Italien werden seine beiden Kinder Giorgio und Lucia geboren. Ab 1915 lebt die Familie in Zürich, ab 1920 in Paris und ab 1940 wiederum in Zürich. Häufige Wohnungswechsel und unsichere finanzielle Verhältnisse bestimmen auch hier den Alltag. 1941 stirbt Joyce in Zürich an einem Darmleiden.

Durch Joyces gesamtes Werk zieht sich die kritische, oft auch polemische Auseinandersetzung mit der irischen Gesellschaft und ihrem Katholizismus: "Ireland is the old sow that eats her farrow". Im Gegensatz zu der (teilweise idealisierenden) Rückbesinnung auf die irische Tradition, die von der "Celtic Revival"-Bewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts propagiert wird, versucht Joyce bewusst über den nationalen Tellerrand hinaus zu schreiben und spezifisch irische Inhalte oder Sprachformen mit europäischen und klassischen Stoffen zu verknüpfen; so wenn er seinen wichtigsten Roman Ulysses schon im Titel als moderne Odyssee avisiert.

Schon in seinem Erstlingswerk, dem Kurzgeschichten-Band Die Dubliner (1914) beweist Joyce seine Beobachtungsgabe und porträtiert eindringlich, wenn auch noch recht konventionell, Dubliner Zeitgenossen zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Kurzroman Ein Porträt des Künstlers als junger Mann (1916) ist autobiographisch geprägt und bildet die Keimzelle seines zeitgenössisch sehr umstrittenen Meisterwerks Ulysses (fertiggestellt 1918). Nach einem Vorabdruck in der amerikanischen Zeitschrift Little Review konnte es 1922 in Paris nur in einer zensierten Form gedruckt werden. (Die einflussreiche deutsche Übersetzung erschien 1927.) Der Roman skizziert einen Tag im Leben des modernen "Odysseus" Leopold Bloom in Dublin. Interessant ist dabei die Verquickung des modernen Großstadtalltags mit dem tradierten mythologischen Stoff. In jedem der 18 Kapitel erprobt Joyce, nach einem genauen Schema und in Anspielung auf Homers Odyssee, eine andere Erzählweise (z.B. Kap. 17: Fragen und Antworten in Art eines Verhörs oder eine Beichte), so dass eine Pluralität von Stimmen, Perspektiven und Redeweisen entsteht. Besonders ausdrucksstark und wirkungsgeschichtlich folgenreich ist dabei die Bewusstseinswiedergabe in Form des so genannten stream of consciousness (Bewusstseinsstrom): Er bringt die Gedankengänge und Empfindungen der drei Protagonisten (Leopold und Molly Bloom, Stephen Dedalus) völlig ungefiltert zum Ausdruck und durchbricht damit sprachliche Konventionen. Skandalös erschien das Buch vielen Zeitgenossen besonders wegen der nicht nur sexuell expliziten Sprache. Ein berühmtes Beispiel für die Verbindung von revolutionäre Form und provokativem Inhalt ist der Schlussmonolog/Gedankenstrom der Molly Bloom, mit dem James Joyce ohne Interpunktion und sehr assoziativ auf ungefähr hundert dahinfließenden Seiten seinen Ulysses enden lässt.

Über seinen Themen- und Stoffreichtum hinaus kann und muss Ulysses als ein Prototyp des modernen experimentellen Romans gelesen werden, wobei die Grenze zwischen klassischer Moderne und postmodernem Roman fließend wird. Der vehement-innovative Sprachduktus wird in Joyces Alterswerk Finnegans Wake (1939) noch weiter gesteigert. Hier sind Form (z.B. durch die Kombination verschiedener Sprachen) und Inhalt so schwer zugänglich und quasi "autonom-assoziativ" gesetzt, dass viele zeitgenössische Kritiker dieses Buch als unlesbar einstuften. Joyce schrieb immerhin 17 Jahre an dieser Geschichte über eine schlafende Familie, die - viel kryptischer als Ulysses - eine noch gewaltigere Stoffmenge zu verarbeiten sucht. So erkennt man z. B. Anklänge an ägyptische und indische kulturelle Traditionen und Religionen.

Nicht nur mit seinem vielzitierten und adaptierten stream of consciousness, sondern mit seiner radikal experimentellen Haltung gegenüber Sprache und Welt war Joyce (auch über Sprachgrenzen hinweg) wichtigster Anreger für Schriftsteller/innen wie Virginia Woolf, Alfred Döblin und viele andere, die auf der Suche nach neuen Formen des Erzählens in der Moderne waren.

©BB

Wichtige Schriften

  • James Joyce: Werkausgabe 2002.

Sekundärliteratur

  • D. Attridge: The Cambridge Companion to James Joyce, Cambridge 1990.
  • U. Multhaup: James Joyce, Darmstadt 1980.
  • A. Schmidt: James Joyce/Stanislaus Joyce, Zürich 1994. [Der deutsche Erzähler und Joyce-Bewunderer Arno Schmidt berichtet Schmidt über seine (Lese-)Erfahrungen mit Joyce]