Martin Luther

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* 10. 11. 1483, Eisleben
† 18. 02. 1546, Eisleben

Theologe, Bibelübersetzer, protestantischer Reformator

Aus bäuerlich-bergmännischer Familie stammend, genoss der junge Luther eine vorzügliche Schulbildung und begann das Studium der Rechtswissenschaft, ehe er 1505 in den Augustinerorden eintrat und ein intensives theologisches Studium absolvierte. Als charismatischer Prediger und Professor der Theologie verschärfte er seit 1517 (Anschlag der 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg) seine (zunächst interne) Kritik an der römisch-katholischen Kirche: an konkreten Missständen wie dem Ablasswesen, aber auch an ihren hierarchischen Prinzipien und ihrer theologischen Dogmatik.

Kern der lutherischen Theologie, die sich aus dieser Kritik entwickelte, ist eine neue Rechtfertigungslehre: Nicht durch gottgefällige Werke, oder durch erkauften Ablass kann sich der sündige Mensch rechtfertigen, sondern allein durch den Glauben (sola fide) an die unverdiente Gnade Gottes (sola gratia). Zeugnis dieser wechselseitigen Bindung ist allein die Heilige Schrift (sola scriptura), die keiner Auslegung durch kirchliche Autorität bedarf, sondern sich selbst auslegt (sui ipsius interpres).

In langwierigen Auseinandersetzungen, unterstützt von einer schnell wachsenden Gefolgschaft, darunter einige deutsche Regionalfürsten, kämpft Luther auf verschiedenen Ebenen für die theologische und institutionelle Durchsetzung der neuen Glaubensordnung. Diesem theologischen Ziel und dieser kirchenpolitischen Strategie sind auch Luthers vielfältige literarische Tätigkeiten untergeordnet, von denen die deutsche Übersetzung der Bibel die mit Abstand wichtigste war.

Seit 1521 betrieb Luther mit mehreren Helfern (besonders Philipp Melanchthon) und großer Energie dieses Vorhaben, weil er einer volkssprachlichen und leicht zugänglichen Bibel zu Recht die entscheidende Rolle bei der Verbreitung des neuen Konfession zuschrieb. Nach elfmonatiger Arbeit lag 1522 das Neue Testament, 1534 dann die so genannte Vollbibel vor: Biblia, das ist, die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Luther hatte seiner protestantischen Theologie ein Massen-Medium von unabsehbarer Wirkung geschaffen.

Die Charakteristika von Luthers Bibeltext ergeben sich aus seiner Schriftauffassung und theologischen Hermeneutik (Aufwertung des sensus litteralis gegenüber der Allegorese), aber auch aus seiner profunden rhetorischen Bildung (Quintilian) und vor allem aus seiner individuellen Sprachkraft. Kennzeichnend sind Werktreue, Orientierung an der "Meinung" des Textes, aber auch große Anschaulichkeit, Bildhaftigkeit, Nähe zur alltäglichen Erfahrung, bewusste Aktualisierung und Akzentuierung der eigenen theologischen Position. Einen programmatischen Kommentar zur eigenen Übersetzung gibt seine Sendschrift vom Dolmetschen (1530) u.a. mit der erklärten Absicht, dem "Volk aufs Maul zu schauen".

Alles in allem hat die Luther-Bibel nicht nur ihre theologisch-propagandistische Funktion voll erfüllt, sondern wesentlich zur Herausbildung einer überregionalen deutschen Schrift- und Literatursprache beigetragen, sie bildet inhaltlich wie sprachlich einen unerschöpflichen Fundus sowohl für die Alltagssprache (Redewendungen, Sprichwörter) wie auch für die nachfolgende deutsche Literatur (von Hans Sachs und Andreas Gryphius bis zu Bertolt Brecht) und darf in ihrer Sprachgewalt selbst als "einer der bedeutendsten Texte der Weltliteratur" gelten (H.-G. Roloff).

Luthers sonstiges literarisches Werk ist außerordentlich umfangreich. Neben 473 Druckschriften, teils lateinisch, teils deutsch, umfasst es zahlreiche Briefwechsel und "Tischreden". Man hat 23 verschiedene Gattungen gezählt, von Vorlesungen und Predigten über theologische Abhandlungen und Pamphlete bis zum Flugblatt und zur Fabel. Mit seinen (nur) 24 Liedern für den volkssprachlichen Gottesdienst (darunter Ein feste Burg... und Vom Himmel hoch...) begründet Luther die Gattung des protestantischen Kirchenliedes, die im 16. und 17. Jahrhundert weiter aufblüht.

Doch hat Luther diese ganze gewaltige Produktion rein funktional und pragmatisch verstanden, ausschließlich als Mittel (medium!) zur Verbreitung seiner theologischen Lehre. Dieses Paradox gehört untrennbar zum Autor Martin Luther: eines der größte Genies deutscher Sprache, dessen innovatorische Kraft erst von Lessing wieder erreicht, und erst von Goethe überboten wird, wollte um keinen Preis (wie er sagte) ein "Poeta", ein Dichter sein.

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Wichtige Schriften

Sekundärliteratur