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Internet

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Das Internet, die technische Organisation der Verbindung von Computern, macht den weltweiten Informationsaustausch nicht nur schneller und aktueller, steigert nicht nur quantitativ Reichweite und Erreichbarkeit von Informationen. Es hat vielmehr eine grundsätzliche Veränderung, einen qualitativen Sprung in den nationalen und internationalen gesellschaftlichen Informationssystemen bewirkt, der vielfach auf Gesellschaft und Kultur zurückwirkt. Das world wide web bietet seinen Benutzer/inne/n völlig neue Nutzungsmöglichkeiten und entwickelt diese stetig und äußerst schnell weiter. Andererseits hat es (wie jede neue Kommunikationstechnik) gewisse Nachteile gegenüber dem Vorgängermedium und schafft mit seinen neuen, spezifischen Möglichkeiten auch neue, spezifische Probleme.

Entstanden ist das Internet 1969 im militärischen Bereich; seit 1972 bot das US-Militär sein APARNET auch Universitäten und Verwaltungsinstitutionen zur Nutzung an. Seitdem hat sich die Zahl der angeschlossenen Computer rasant entwickelt. Für das Jahr 1994 schwanken die Angaben etwa zwischen 2.2 und 40 Mio. Nutzer/innen, Ende der 90er Jahre war die Rede von einer Verdoppelung alle 7 Monate oder von einem Zuwachs von 15% pro Monat; inzwischen ist natürlich eine gewisse Sättigung eingetreten. Die qualitative Nutzung des Internet ist recht heterogen; überwiegend wird es zu Unterhaltungszwecken verwendet, selbst in der Wissenschaft sind seine vielfältigen Möglichkeiten oft noch unbekannt: Nach einer Studie von 2002 nutzen in Deutschland nur 6% (!) der Studierenden fachspezifische Onlinebanken; die anderen begnügen sich mit Standard-Suchmaschinen, die für wissenschaftliche Zwecke unzureichend sind.

Neu am Internet ist vor allem, dass theoretisch keine Hierarchisierung von Wissen stattfindet. Anders als im bisher größten Informationssystem, der Organisation der Bibliotheken, ist der Zugang zu Informationen nicht von räumlichen Faktoren oder vom bibliographischen know-how bei der Recherche abhängig. Auch die Weitergabe von Wissen (oder Meinungen ... oder auch von Unsinn) ist nicht mehr exklusiv, sondern für jede/n Internet-Teilnehmerin problemlos möglich. Deshalb wird in diesem Zusammenhang gelegentlich explizit von einer Demokratisierung des Wissens gesprochen.

Wer das Internet nutzt, kann schnell und ohne große Umwege alle Informationen erhalten, die in den angeschlossenen Servern gespeichert sind. Er / sie kann über eine Homepage eigene Informationen ins Netz einspeisen, die dann ebenfalls weltweit zur Kenntnis genommen werden (könnten). Newsgroups, E-Journals und Diskussionslisten erlauben im Internet die schnelle und weitreichende Kommunikation mit anderen Teilnehmern. Die Einbindung zusätzlicher Kommunikationstechniken (E-Mail, Handy, Videokonferenz, lokale Funknetze/W-LAN usw.) vergrößern das Spektrum der Möglichkeiten.

Bei den Nachteilen oder Problemen des Internet sind einerseits 'äußere' Faktoren zu nennen, die eine optimale Nutzung (noch) verhindern. Dabei handelt es sich im wesentlichen um technische Probleme, wie bei jedem neuen Medium, sind sie vergleichsweise banal, an ihrer Lösung wird permanent gearbeitet, viele sind - durch technische Verbesserungen - schon bereinigt oder minimalisiert worden.

Doch bietet das Internet auch gravierende systemimmanente Probleme. So bilden sich eben doch neue, bisher unbekannte Formen von Hierarchisierung heraus: Zunehmend werden Informationen nicht mehr gratis geliefert, sondern müssen (oft teuer) bezahlt werden. Die Suchmaschine Google hat zwar durch ein automatisiertes Verfahren (Page Rank) den Einfluss von Menschen auf die Wertung von Internetadressen beseitigt, dadurch aber Versuche in Gang gesetzt, den Internetauftritt von (vorzugsweise profitorientierten) Sites künstlich zu verbessern: Das Page Rank-Verfahren bewertet Sites nach der Anzahl von Links, die auf eine bestimmte Site verweisen, und die kann man selbst konstruieren. Was von den Suchmaschinen nicht geliefert wird, ist praktisch auch nicht existent. Man kann heute schon sehr klar die Existenz weniger großer Zentren, sog. hubs, registrieren, die faktisch die gesamte Netzstruktur beeinflussen. Ferner ist das neue Informationssystem sehr viel verletzlicher als das alte: Durch E-Mails eingeschleuste Viren können ganze Kommunikationsnetze lahm legen und riesige Informationsmengen einfach auslöschen. Anders als bei den Printmedien ist die Ersatzbeschaffung zeitaufwendig oder unmöglich. Virenschutzprogramme hinken neuen Viren notgedrungen immer hinterher. Dennoch konnte deren Eindringen immer weiter reduziert werden; dagegen stellt das Internet selbst heute die größte Fehlerquelle dar. Frei flottierende Informationen machen Restriktionen auch da unmöglich, wo sie sinnvoll wären (Anleitungen zum Bombenbasteln im Netz sind das plakativste Beispiel). Andererseits hat das Internet den 'gläsernen Nutzer' generiert: E-Mails, Abrufe von Informationen aus Sites usw. können technisch jederzeit kontrolliert werden. Geheimdienste durchsuchen das Internet nicht nur aus akuten Anlässen, sondern auch routinemäßig mit automatisierten Stichwortabfragen.

Erwähnenswert sind auch negative Einflüsse des Internet auf den Wissenschaftsbetrieb und seine traditionellen Standards zur Qualitätssicherung. Die Möglichkeit, im Netz auf kostengünstige Weise gleichzeitig als Autor/in, Herausgeber/in und Verleger/in aufzutreten, setzt die einer Veröffentlichung in Printmedien normalerweise vorgeschalteten Kontrollmechanismen außer Kraft. Während ein gedruckter Text in den allermeisten Fällen lange haltbar, verfügbar und identifizierbar ist, verschwinden aus dem Internet jeden Tag Tausende von Texten: Entweder kann man sich also auf sie nicht mehr beziehen - oder aber eine fingierte Quellenangabe kann nicht als Fälschung entlarvt werden.

Bei aller technischen Modernität befindet sich das Internet also in mancher Beziehung durchaus auf dem Stand der mittelalterlichen Handschriftenkultur: Die im Netz und für das Netz produzierten Texte sind Unikate; die Herstellung von 'Abschriften' (durch Download oder Ausdruck) bleibt allein den Benutzer/inne/n vorbehalten; da die Herstellung der Texte im ersten Arbeitsgang manuell vorgenommen wird (wenn auch über eine Tastatur) und man, um die Schnelligkeit des Mediums nicht zu gefährden, oft nicht mehr sorgfältig korrigiert, sind Internettexte - wie mittelalterliche Abschriften - oft genug fehlerhaft oder gewollt nicht 'werkgetreu'.

© RB

Sekundärliteratur

  • A.-L. Barabási: 'Linked'. The New Science of Networks, Cambridge/Mass 2002.
  • J. Fröhlich: "Mechanismen und Möglichkeiten des Internet." In: Das Mittelalter. Zeitschrift des Mediävistenverbandes 1 (1996) 2, S. 150-165.
  • K. Hafner, Katie / M. Lyon: Arpa Kadabra oder Die Geschichte des Internets, Heidelberg 2000.