Jürgen Link: Kollektivsymbole

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Eine besondere Kategorie der sprachlich realisierten Symbole stellen die sogenannten Kollektivsymbole dar. Dieser Begriff ist von dem Literaturwissenschaftler Jürgen Link entwickelt worden; inzwischen hat er sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften weithin eingebürgert. Kollektiv sind die hier gemeinten Symbole insofern, als sie nicht nur für den Verwendungszusammenhang eines einzelnen (literarischen) Textes entwickelt worden sind, sondern zum kommunikativen und kulturellem Gemeinbesitz einer Gesellschaft gehören: Sie tauchen immer wieder in den unterschiedlichsten Texten und den verbalen Äußerungen der verschiedensten Sprecher auf. Diese Symbole verraten also etwas über den grundsätzlichen Weltbezug einer Gesellschaft - denn dieser Weltbezug, so haben im Gefolge von Ernst Cassirer schon zahlreiche Philosophen und Kulturwissenschaftler festgestellt, ist in entscheidendem Maße durch kollektiv geteilte Bildräume vermittelt.

Kollektivsymbole sind wichtige Bestandteile des von Jürgen Link am Beispiel des Ballonsymbols analysierten Interdiskurses. In dieser Studie zur Literatur des 19. Jahrhunderts zeigt Link, daß der Ballon bei demokratischen, liberalen und sozialistischen Autoren vor allem die Möglichkeiten des Menschen verkörpert, durch Vernunft, Arbeit und Technik die Natur zu beherrschen und den ewigen Menschheitstraum vom Fliegen zu erfüllen. Die konservativen Kräfte sehen in ihm hingegen eine - im wahrsten Sinne des Wortes - windige Erscheinung wie die Aufklärung und der technische Fortschritt insgesamt. Als ein nicht zu kontrollierender Spielball der Lüfte und der Winde ist er das Symbol für einen zügellosen Fortschritt, der die Bodenhaftung buchstäblich verloren hat.

©rein

Sekundärliteratur