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Wilhelm von Humboldt

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* 22.06. 1767, Potsdam
† 08.04. 1835, Berlin

Preußischer Staatsmann, Schriftsteller und Wissenschaftler

Kaum eine andere Figur der Goethezeit ist so wenig auf ein bestimmtes Metier festzulegen wie Wilhelm von Humboldt. Der ständige Wechsel zwischen Politik und Schriftstellerei verrät seine Vielseitigkeit, besonders wenn man die einzelnen politischen Aufgaben und schriftstellerischen Themen betrachtet. Seine Sporen als preußischer Diplomat verdiente sich der Sohn einer brandenburgischen Adelsfamilie als Gesandter beim Päpstlichen Stuhl in Rom (1802-1809); die nächste wichtige Aufgabe war die Leitung der Sektion für Kultus und Unterricht im Preußischen Innenministerium in den Jahren 1809/10. Hier brachte Humboldt jene Universitätsreform auf den Weg, die sich bis heute mit seinem Namen verbindet. In den Jahren 1813-15 übernahm er diplomatische Aufgaben bei der politischen Vorbereitung der Befreiungskriege und wirkte auf dem Wiener Kongreß als Zweiter Gesandter Preußens an der Gestaltung der europäischen Nachkriegsordnung mit. 1817 übernahm er die preußische Gesandtschaft in London, 1819 schließlich erhielt er den Auftrag, als Minister für ständische Angelegenheiten eine Verfassung für den preußischen Staat auszuarbeiten. Als sich der König von dieser Absicht wieder distanzierte, nahm Humboldt seinen Abschied von der Politik. Bis zu seinem Tod im Jahre 1835 widmete er sich nun uneingeschränkt seinen wissenschaftlich-literarischen Interessen.

Das Spektrum der Themen, das Humboldt als Forscher und Schriftsteller abdeckte, ist ähnlich eindrucksvoll wie das seiner politischen Aktivitäten. Staatsphilosophische Themen interessierten ihn ebenso wie Fragen der Geschichte und Kunst, Sprache und Literatur. Berichte von seinen zahlreichen Reisen, lyrische Texte, Übersetzungen und aufwendige Korrespondenzen runden sein Oeuvre ab. Nebenbei schrieb er über eintausend (mehr oder weniger gelungene) Sonette.

Vor allem als Sprachtheoretiker hat Humboldt große geistesgeschichtliche Bedeutung erlangt. Er gehörte zu den ersten Forschern, die der Sprache eine zentrale erkenntnistheoretische und kulturschöpferische Rolle beimaßen. Sprache ist nach Humboldts Auffassung nicht nur "ergon", nicht nur ein Werkzeug, ein System von Zeichen, das die Menschen benutzen, um sich über die Welt zu verständigen, sondern vielmehr "energeia", also eine welterschließende Kraft, eine produktive Tätigkeit des Geistes, die das Fundament jeder Realitätsperzeption darstellt. Aus dieser Qualität der Sprache leitet Humboldt weitreichende Folgerungen ab. Wenn die Sprache der Filter ist, durch den die Welt überhaupt nur wahrgenommen werden kann, muß jede Sprachgemeinschaft eine unterschiedliche Weltsicht haben. Die grammatikalische Struktur, das Wortfeld, ja sogar der Lautbestand einer Sprache wirken unmittelbar mit den Gedanken zusammen, die im Medium dieser Sprache hervorgebracht werden können. Jede Sprache ist der Ausdruck einer allgemeinen Sicht der Welt, der "Geisteseigentümlichkeit" eines Volkes, wie Humboldt formuliert. Franzosen, Engländer, Deutsche etc. (oder auch die Menschen auf Java, deren Kawi-Sprache Humboldt ein großes Werk gewidmet hat) leben in einem jeweils eigenen sprachlich-ideellen und emotionalen Kosmos, der das wechselseitige Verstehen auch bei dem engagiertesten Bemühen um 'Übersetzung' mit einem großen Fragezeichen versieht.

© rein

Wichtige Schriften

  • Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1792)
  • Antrag auf Errichtung der Universität Berlin (1809)
  • Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin (1810)
  • Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts (1836)

Sekundärliteratur

  • R. Freese (Hg.): Wilhelm von Humboldt. Sein Leben und Wirken, dargestellt in Briefen, Tagebüchern und Dokumenten seiner Zeit, 2. Aufl., Darmstadt 1984.
  • L. Jäger: Die Sprachtheorie Wilhelm von Humboldts, in: R. Wimmer (Hg.): Sprachtheorie, Düsseldorf 1987, S.175-190.
  • S. Kaehler: Wilhelm von Humboldt und der Staat. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Lebensgestaltung um 1800, 2. Aufl., Göttingen 1963.