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* 20.05.1805, Darmstadt
† 18.03.1871, Heidelberg

Germanist und Publizist

Gervinus hat sich seinen Platz in der Geschichte der Germanistik mit einer zwischen 1835 bis 1842 erschienenen fünfbändigen Geschichte der poetischen Nationallitteratur der Deutschen – seit der vierten Auflage (1853) trägt sie den Titel Geschichte der deutschen Dichtung - gesichert. Zu einer Besonderheit unter den damals erschienenen Literaturgeschichten wird sie einerseits durch ihre im Grunde erstmalige Konzentration auf die deutsche Literatur – die auch von Friedrich Schlegel, der als einer der Begründer der deutschen Literaturgeschichtsschreibung gilt, in dieser Form nicht durchgehalten wurde - , andererseits durch ihr spezifisches Programm, das weniger einer ästhetischen Vorstellung als vielmehr der Idee einer historischen Entwicklung verpflichtet war. So lesen wir bei ihm den programmatischen Satz: "Mit ästhetischer Kritik hat der Literaturhistoriker garnichts zu tun." Ihm geht es vielmehr darum, wie die literarischen Darstellungen "das Leben selbst, durch die scheinbar chaotischen Mannigfaltigkeit aus der Ferne ein Gesetz der Entwicklung [...] blicken lassen." Der Literaturhistoriker wird an dieser Stelle zum allgemeinen bzw. politischen Historiker, der sich nicht um den ästhetischen Gehalt eines literarischen Werkes sorgt, sondern seine Bezüge zur Zeit und sein Resultieren aus der Zeit analysiert.

Literatur wird bei Gervinus zum kulturellen Medium, das den nationalen Formationsprozeß abbildet. Dieser historische Prozeß wird bei ihm in Anlehnung an die Geschichtsphilosophie Hegels als ein vernünftiges Fortschreiten in Richtung der Freiheit verstanden. Aber nicht nur Hegels Verständnis der geschichtlichen Entwicklung hat Gervinus beeinflußt, auch wichtige Gedanken aus der Ästhetik finden wir bei ihm wieder, denn den Weg der Literatur sieht er in seiner Gegenwart enden.

Die Literatur habe die Aufgabe, als Ersatz politischer Emanzipation des Bürgertums zu dienen, erfüllt, die Ideen der politischen und sozialen Freiheit seien in ihr formuliert (Lessing, Schiller), nun gehe es darum, zum Zwecke der Bildung der Nation, diese Ideen in praktische Handlungen zu überführen. Hier wird deutlich, warum Gervinus als der 'politische Professor' Einzug in die Gesamtdarstellungen zur Geschichte der Germanistik fand. Für ihn war ein enger Bezug der Wissenschaft zum praktischen Leben bzw. zur Politik unerläßlich.

©rein

Wichtige Schriften

Sekundärliteratur

  • K. Hennies: Fehlgeschlagene Hoffnung und Gleichgültigkeit. Die Literaturgeschichte von Georg Gottfried Gervinus im Spannungsverhältnis zwischen Fundamentalphilosophie und Historismus, Frankfurt/M. u. a. 1984.
  • G. Hübinger: Georg Gottfried Gervinus. Historisches Urteil und politische Kritik, Göttingen 1984.
  • G. Hübinger: Literaturgeschichte als geisteswissenschaftliche Disziplin. Ihre Begründung durch Georg Gottfried Gervinus, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 5-25.