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Hugo von Hofmannsthal

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*1.2.1874, Wien
+ 15.7.1929, Rodaun bei Wien

österr. Lyriker, Essayist, Dramatiker

Unter verschiedenen Pseudonymen - "Loris", Theophil Morren, Archibald O`Hagan - schrieb schon der Schüler Hofmannsthal Feuilletons und lyrische Gedichte, von denen einige (Vorfrühling, Lebenslied, Manche freilich...) bis heute zum Kernbestand deutscher Poesie zählen. Sie zeigten einen souveränen Umgang mit Sprache und ein sicheres, die gesamte europäische Kultur ins Auge fassendes künstlerisches Urteil. Berauscht davon reiste der deutsche Dichter Stefan George 1891 eigens nach Wien, um einen Bundesgenossen für sein eigenes - antinaturalistisches - Schreibprogramm, die Erneuerung der deutschsprachigen Literatur aus dem Geiste des der Romantik und des französischen Symbolismus, zu gewinnen Im Schnittpunkt gemeinsamer Interessen, besonders bei der Zusammenarbeit in der Zeitschrift Blätter für die Kunst, fanden die beiden Dichter für eine Weile zusammen; menschlich hielten sie lebenslang Distanz. Ein zweiter Entdecker Hofmannsthals war der Wiener Kunstkritiker Hermann Bahr. Als er ihn im Kaffeehaus kennen lernen sollte, erwartete er einen alten, lebenserfahrenen Herrn - und traf zu seiner Verblüffung einen siebzehnjährigen Jüngling. "Jung" wurde zum Synonym für "modern", und nicht zufällig ist "Das junge Wien" der (nachträgliche!) Sammelbegriff für eine ganze Reihe von - nicht notwendig biologisch, wohl aber 'mental' - jugendlichen Autoren geworden. Sie selbst verstanden sich nicht als Gruppe, aber doch als Repräsentanten einer "neuen" Kunst und Kultur, für die Friedrich Nietzsche wichtige Impulse geliefert hatte. Neben Hofmannsthal und Bahr gehörten dazu der Arzt Arthur Schnitzler, Felix Salten (Autor von so unterschiedlichen Erfolgbüchern wie Bambi und Josephine Mutzenbacher!), Richard Beer-Hofmann, Leopold von Andrian und, eher am Rande, der Aphoristiker Peter Altenberg sowie Karl Krauss, der so hellhörige Dauernörgler.

Was Hofmannsthal später über sein Verhältnis zu George sagte, kann man für seine an intertextuellen Bezügen reiche Literatur insgesamt sagen: "Der Einfluß war sicher groß - aber nicht was die nach Beeinflussung suchenden Literaturhistoriker unter Einfluß verstehen - sondern jenes Communicieren webender Kräfte, das eben den Geist einer Zeit ausmacht." Die literarische Energie, die Hofmannsthal aus der Beschäftigung mit der abendländischen Kunst und Literatur bezog (etwa in der Fülle seiner dramatischen und sonstigen "Nachdichtungen"), ist grundlegend für sein Schreiben, hat ihm aber auch Kritik eingetragen.

Hartnäckig hält sich das Klischee von Hofmannsthals Ästhetizismus. Dabei zeigt sich von Anfang an seine tiefe Skepsis gegenüber den Defiziten einer ästhetizistischen Lebensführung. Kritisch reflektiert er auch sprachliche Machtstrategien und -effekte. Er betreibt Diskurskritik, wenn er etwa sagt, dass sich die (Schlag-)Worte vor die Dinge stellen und die "Lügen der Wissenschaften" das Leben abtöten (Eine Monographie, der sog. "Mitterwurzer"-Essay, 1895). Hier gründet die besondere Chance, die er den nonverbalen Medien (Bildkunst, Musik, Ballett, Pantomime) zuspricht. Berühmt geworden ist Ein Brief, in dem ein fiktiver Philipp Lord Chandos dem Naturwissenschaftler und Philosophen Francis Bacon gegenüber seinen Verzicht auf das Schreiben rechtfertigt. Was die Berliner Zeitung "Der Tag" im Oktober 1902 beiläufig druckte - das Dokument einer Krise des (literarischen) Sprechens und der Autorschaft in der Klassischen Moderne - wurde selbst zum Kanon-Text, auf den sich Autoren und Kritiker bis heute gern beziehen.

Für Opernliebhaber verbindet sich der Name Hofmannsthal mit dem von Richard Strauss: Die beiden gelten als Paradebeispiel einer prekären, gleichwohl höchst fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Dichter und Komponist. Elektra (1903/1908), Der Rosenkavalier (1911), Ariadne auf Naxos (1916), Die Frau ohne Schatten (1919) und Arabella (1933) stehen denn auch weitaus häufiger auf den Spielplänen der großen Bühnen als Hofmannsthals Dramen. Mit Ausnahme des Jedermann, der rituell die Salzburger Festspiele einleitet, und der Gesellschaftskomödie Der Schwierige (1919) sind seine Stücke, insbesondere die frühe lyrische Dramatik (Der Tod des Tizian, Der Thor und der Tod, Die Frau im Fenster) mehr oder weniger zu Lesetexten geworden. Ohne die kunstvollen frühen Gedichte, ohne Erzählungen wie Das Märchen der 672. Nacht (1895), die Reitergeschichte (1899) oder Hofmannsthals Reiseprosa (Sommerreise, Augenblicke in Griechenland) kommt jedoch keine Anthologie der Jahrhundertwende um 1900 aus.

©UR

Wichtige Schriften

  • Gesammelte Werke in 10 Einzelbänden. Hg. v. B. Schoeller, Frankfurt/M. 1979. - Seit 1999 sind auch zahlreiche Texte Hofmannsthals als Studienausgaben (Reclam) greifbar.

Sekundärliteratur

  • W. Volke: Hugo von Hofmannsthal, Reinbek 1967 u.ö.
  • M. Mayer: Hugo von Hofmannsthal, Stuttgart/ Weimar 1993.
  • U. Renner: "Die Zauberschrift der Bilder". Bildende Kunst in Hofmannsthals Texten, Freiburg 2000.