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Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote (1605/1615)

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Cervantes' Roman Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha, kurz Don Quijote, ist das bekannteste Werk der spanischsprachigen Literatur und einer der bedeutendsten Romane der Weltliteratur. Mit seinem 1605 und 1615 in zwei Teilen erschienenen Don Quijote setzt Cervantes neue Maßstäbe für die Gattung Roman: nicht mehr das utopisch-idyllische Ambiente der Schäferromane und auch nicht die Welt der ritterlichen Abenteuerromane prägen Schauplatz und Handlungsstruktur des Don Quijote. Vielmehr spielt das Geschehen im zeitgenössischen Spanien, im Siglo de Oro, dem politisch von Philipp II., kulturell von den Malern Velásquez und El Greco und den Schriftstellern Lope de Vega, Calderón und Cervantes geprägten spanischen Goldenen Zeitalter.

Der Roman erzählt die Geschichte der gleichnamigen Hauptperson, eines verarmten Junkers, der durch die Lektüre unzähliger Ritterromane den Verstand verliert und beschließt, nun selbst als Ritter auszuziehen, "um Abenteuer zu suchen und all das zu üben, was, wie er gelesen, die fahrenden Ritter übten, das heißt jegliche Art von Unbill wiedergutzumachen und sich in Gelegenheiten und Gefahren zu begeben, durch deren Überwindung er ewigen Namen und Ruhm gewinnen würde." (S. 23f.) Don Quijote holt seinen alten Klepper aus dem Stall, gibt ihm den klangvollen Namen Rosinante, stellt sich notdürftig eine Rüstung zusammen und bricht auf. Dieser erste Versuch scheitert kläglich: Der vermeintliche Ritter wird von Maultiertreibern zusammengeschlagen, halbtot von einem Nachbarn aufgefunden und nach Hause gebracht. Besorgte Freunde türmen den Großteil seiner Ritterbuch-Sammlung zu einem riesigen Scheiterhaufen auf und übergeben die unheilvollen Bücher den Flammen. Aber Don Quijote läßt sich nicht entmutigen. Nach seiner Genesung kann er einen Bauern des Dorfes, Sancho Pansa, als Knappen gewinnen und bricht gemeinsam mit ihm erneut auf. Die Windmühlen, denen sie bald darauf begegnen, hält Don Quijote trotz Sanchos Einwänden für Riesen und liefert sich mit ihnen seinen berühmtesten Kampf. Hier, wie in allen folgenden Abenteuern, 'liest' Don Quijote die Erscheinungen der Wirklichkeit als Motive der Ritterromane und interpretiert sie folglich als Handlungsaufforderung an sich selbst, den fahrenden oder irrenden Ritter. Immer wieder führt Cervantes im Don Quijote auf diese Weise vor, was passiert, wenn man die Regeln der phantastischen Ritterwelt auf die profane Wirklichkeit anwendet. Am Ende des ersten Teils kehrt Don Quijote nach vielen Abenteuern, bei denen er zumeist reichlich Prügel bezogen hat, erschöpft in sein Dorf zurück.

Während Cervantes am zweiten Teil des Don Quijote arbeitete, veröffentlichte ein Zeitgenosse, Alonso Fernández de Avellaneda, eine apokryphe Fortsetzung des ersten Teils. Cervantes setzt sich in den Anfangs- und Schlußpassagen des zweiten Teils explizit von diesem Werk ab. Darüber hinaus aber wird der literaturkranke Don Quijote nun damit konfrontiert, daß er selbst zu Literatur geworden ist, denn der erste Teil des Don Quijote wird zu einem Bestandteil der Fiktion des zweiten Teils: Hier nämlich unterhalten sich Sancho und sein Herr mit einigen Freunden über ein neues Buch, das ihre Geschichte enthält. Die beiden beschließen einen neuerlichen Aufbruch, um eine Fortsetzung zu ermöglichen: Im zweiten Teil des Don Quijote bringt Cervantes die Grenzen zwischen Literatur und Realität ins Schwanken. Die folgende lange Kette der Abenteuer findet ihr Ende in einem großen Duell, das Don Quijote seine letzte und entscheidende Niederlage beschert: Der Sieger verlangt von ihm, daß er nach Hause zurückkehrt. Auf dem Weg zurück in das Heimatdorf begegnen Don Quijote und Sancho Pansa den Figuren aus der gefälschten Fortsetzung Avellanedas - und lassen sich notariell bestätigen, daß sie nicht zu ihnen gehören. In der Heimat angelangt, erkrankt Don Quijote und erwacht auf dem Sterbebett endlich aus seinem literarischen Wahn; am Ende stirbt Don Quijote, aber er stirbt geheilt.

In Deutschland setzt eine intensivere Rezeption des Don Quijote mit Ludwig Tiecks Übersetzung (1799-1801) ein; gerade die Erzählkunst der Romantik ist ohne die im Don Quijote angelegten Erzähltechniken der Illusionsbrechung (der Konflikt zwischen Wirklichkeit und Literatur) und des Spiels mit der Literarisierung ("Buch im Buch") nicht zu denken. Ganz in diesem Sinne vertritt Hegel in seiner Ästhetik die These, daß Cervantes den Roman als eine in sich selbst gebrochene, ironische Form geschaffen habe und Lukács zeigt in seiner Theorie des Romans auf, wie der Don Quijote als erster bürgerlicher Roman die Sehnsucht des modernen Subjekts nach der untergegangenen Totalität des Epos widerspiegelt.

©TvH

Quelle

  • Miguel de Cervantes Saavedra: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha, übers. v. L. Braunfels, München 1956.

Sekundärliteratur

  • C. Strosetzki: Miguel de Cervantes. Epoche - Werk - Wirkung, München 1991.
  • H. Hatzfeld (Hg.): Don Quijote. Forschung und Kritik, Darmstadt 1968.
  • V. Nabokov: Die Kunst des Lesens. Cervantes' Don Quijote, Frankfurt/M. 1991.