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Luís Vaz de Camões

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* um 1524/25, Lissabon oder Coimbra
† um 1580, Lissabon

Portugiesischer Epiker, Lyriker, Dramatiker

Über sein Leben gibt es nur sehr wenige dokumentarische Nachweise. Durch Verflechtung dieser raren Notizen mit (nicht minder spärlichen) Zeugnissen von Zeitgenossen sowie Angaben späterer Biographen und Rückschlüssen aus dem poetischen Werk selbst wurde eine überwiegend legendäre Biographie aufgebaut (die sich bis heute behauptet), in welcher Camões als mythische Gestalt erscheint. Besonders seit der Romantik wird die Figur des Dichters mit der eines "poète maudit" identifiziert: unerbittlich vom Schicksal verfolgt, unglücklich in der Liebe und Opfer von Neid und höfischen Ränken, die ihn ins Exil trieben, starb er letztlich in äußerstem Elend und in Einsamkeit, in einem vom Untergang gezeichneten Weltreich.

Mit Vorsicht lässt sich Folgendes über sein Leben sagen: Von niedrigem Adel abstammend ist Luís Vaz de Camões wahrscheinlich in Lissabon geboren, hat seine Studien in Coimbra durchgeführt, das zur Zeit ein wichtiges europäisches humanistisches Zentrum war, und später in Lissabon am Leben des gebildeten und galanten Hofes von König Johannes dem Dritten teilgenommen. Nachdem er zwei Jahre als Soldat in Nordafrika verbracht hat, wo er - einigen seiner Verse nach - im Gefecht ein Auge verlor, kehrt er zum Lissabonner Hof zurück. Aufgrund eines Dokumentes dieser Zeit wissen wir, dass er 1552 nach einem Streit mit einem königlichen Diener, welcher ihm eine Gefängnisstrafe einbrachte, vom König begnadigt wurde und sich kurz darauf nach Indien einschiffte. Dort diente er während fünfzehn Jahren als Soldat, einer Phase seines Lebens voll von Nöten, Abenteuern und reicher dichterischer Produktivität. Nach einer längeren, durch einen zweijährigen Aufenthalt in Mosambik unterbrochenen Heimreise kommt er zum Lissabonner Hof zurück, wo er sich um den Druck seines epischen Gedichts Os Lusíadas bemüht, das 1572 veröffentlicht wird. Hierauf erhält er von dem jungen König Sebastian eine bescheidene jährliche Pension. Er stirbt um 1580 wahrscheinlich in Lissabon, nach der Katastrophe von Alcácer Quibir (Ksar el-Kebir), ohne dass dieser letzte Lebensabschnitt von Ruhm oder Ehrungen geprägt war.

Die Arbeit der verschiedensten Kommentatoren des Werkes von Camões hat zur Genüge bewiesen, dass es dem Dichter nicht fehlt "an Bücherwissen [...] / Mit der Erfahrung langer Zeit gemischt, / Auch nicht an Geist [...], / Die selten so vereint zusammenstehen" (Lus., X, 154, 5-8). Sein gesamtes schöpferisches Werk, insbesondere das große Epos Die Lusiaden - in dem im Rahmen der Schilderung von Vasco da Gamas Entdeckungsreise nach Indien Portugals ruhmreiche Geschichte von ihren Anfängen an dargestellt und die Korruption und Dekadenz der eigenen Zeit heftig angeklagt wird, wurzelt in Humanismus und Renaissance-Denken. Es ist jedoch gleichzeitig durchdrungen von einem außergewöhnlich breiten kulturellen und literarischen Eklektizismus. In den drei Komödien - Anfitriões [Die Amphitryone], Filodemo [Filodemo] und El-Rei Seleuco [König Seleukos] - , vermischen sich die antiken Dramen-Vorbilder der Renaissance (vor allem die Lustspiele des Plautus) mit der heimischen Tradition der Spiele eines Gil Vicente. Auch das lyrische und das epische Werk vereinigt unterschiedlichste literarische Traditionen wie die galicisch-portugiesische Troubadourlyrik, den einem Großteil seiner Liebesgedichte zugrunde liegenden Petrarkismus, den iberischen Neuplatonismus und auch den Manierismus, der sich in dem leidvoll-bitteren Ton vieler seiner Verse äußert. In ihnen kommt, in auffälligem Widerspruch zum christlich-neuplatonischen Weltbild, eine von Unordnung, Elend, Wahnsinn und Enttäuschung geprägte Auffassung vom Menschen und der Welt zum Ausdruck.

Die deutschsprachige Camões-Rezeption kann auf eine lange, reichhaltige Geschichte zurückblicken. In Folge der von Voltaire im Essai sur la poésie épique (1727) eingeleiteten Diskussion um das Verdienst der Lusiaden und ihre Mängel im Lichte der neoklassizistisch-aufklärerischen Ästhetik begegnen in Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erste Teilübersetzungen von Camões' lyrischem und epischem Werk sowie Essays über sein Leben und Werk, die dem kritischen Urteil des französischen Aufklärers z.T. widersprechen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird Camões, dank des Anstoßes durch die Romantiker, insbesondere durch Friedrich Schlegel, zu einem europäischen Modell des romantischen Dichters. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts erleben wir eine stetige Folge von deutschsprachigen Camões-Übersetzungen, -Lebensdarstellungen und -Studien. Hervorzuheben sind: im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts das monumentale Werk von Wilhelm Storck, in unseren Tagen die Übertragung der Lusiaden von Hans Joachim Schaeffer, der dem heutigen deutschsprachigen Leser eine vollständige Fassung der Werke des portugiesischen Dichters zur Verfügung stellen will.

©MMD

Wichtige Schriften

  • Obras Completas, 5 Bd., hg. v. Hernâni Cidade, Lisboa 1954-1956.
  • Luis' de Camoens Sämmtliche Gedichte. Zum ersten Male deutsch von Wilhelm Storck, 6 Bd., Paderborn 1880-1885.
  • Os Lusíadas - Die Lusiaden. Aus dem Portugiesischen von Hans Joachim Schaeffer. Bearb. und mit einem Nachwort versehen von Rafael Arnold. Heidelberg 2000 (1. Aufl. 1999).

Sekundärliteratur

  • Hernâni Cidade, Luís de Camões, 3 Bd., Lisboa 1952, 21954, 1956.
  • Vítor M. de Aguiar e Silva, Camões: Labirintos e Fascínios, Lisboa 1994.
  • Reinhold Schneider: Das Leiden des Camões oder der Untergang und Vollendung der portugiesischen Macht, Helleran 1930.