Startseite Inhalt

Friedrich A. Kittler

Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

* 1943 in Rochlitz (Sachsen)

Literatur- u. Medienwissenschaftler

Friedrich Kittler studierte in Freiburg/Breisgau Germanistik, Romanistik und Philosophie, promovierte 1976 und habilitierte sich dort 1984 und ist nach Dozenturen an verschiedenen Universitäten in Deutschland wie im Ausland seit 1993 Professor für Ästhetik und Geschichte der Medien an der Humboldt-Universität in Berlin.

Als einer der ersten Germanisten hat sich Kittler für die Rezeption des Poststrukturalismus in Deutschland eingesetzt: Die Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften - der Titel seiner Herausgeberschrift ist dafür programmatisch geworden. Es geht ihm dabei um eine Erweiterung vor allem des diskursanalytischen Ansatzes von Michel Foucault. Diesem wirft er vor, die technischen Bedingungen der gesellschaftlichen Diskurse vor allem dort nicht mehr präzise genug in den Blick zu nehmen, wo Bücher nicht mehr die wichtigsten kulturellen Speichermedien sind. Dies sei spätestens um 1900 der Fall, als sich Film, Schreibmaschine und Phonograph bzw. Grammophon als neue Medien durchsetzten.

Kittler versteht die Analyse dieser Speichermedien als "Medienarchäologie" - und folgt damit einer Überlegung Foucaults, wonach sich der Forscher der eigenen Gesellschaft wie ein Archäologe annähern müsse, um sie wirklich präzise analysieren zu können. Der Blick des "Medienarchäologen" muß sich dabei auf die technischen Bedingungen richten, die das Entstehen gesellschaftlicher Diskurse sowohl ermöglichen als auch verursachen. Wichtig sind dabei nicht die einzelnen Äußerungsformen (z.B. literarische Texte) sondern die Verschaltungen zwischen den technischen Medien überhaupt.

Kittler nennt die durch die jeweiligen Speichermedien bestimmten Diskursformationen im Titel seiner vieldiskutierten Habilitationsschrift Aufschreibesysteme. Speichermedien sind nicht nur Filme, Tonbänder oder Computer, sondern auch die Schrift selbst, so wie vor deren Durchsetzung bereits die mündliche Überlieferung. "Kultur" wird dabei verstanden als eine durch die jeweils vorherrschenden technischen Medien bestimmte Form der Datenverarbeitung. Wenn sich die technischen Medien verändern, verändert sich dann auch die Gestalt der Kultur selbst. Auch wenn die Rede vom "Fortschritt" hier etwas irreführend wäre, so läßt sich doch von einer wachsenden Vereinheitlichung der Mediengestalten sprechen. So wie die Schrift die Mündlichkeit verdrängte, so verdrängen die neuen Medien die Schrift. In der Digitalisierung schließlich werden alle Unterschiede zwischen den einzelnen Medien aufgesogen, so daß schlußendlich nur die unendliche Datenzirkulation übrig bleibt: "In der allgemeinen Digitalisierung von Nachrichten und Kanälen verschwinden die Unterschiede zwischen den einzelnen Medien. Nur noch als Oberflächeneffekt, wie er unterm schönen Namen Interface bei Konsumenten ankommt, gibt es Ton und Bild, Stimme und Text. Blendwerk werden die Sinne und der Sinn. […] Und wenn die Verkabelung bislang getrennte Datenflüsse alle auf eine digital standardisierte Zahlenfolge bringt, kann jedes Medium in jedes andere überge-hen. Mit Zahlen ist nichts unmöglich. […] ein totaler Medienverbund auf Digitalbasis wird den Begriff Medium selber kassieren. Statt Techniken an Leute anzuschließen, läuft das abso-lute Wissen als Endlosschleife." (Grammophon..., S. 8)

Friedrich Kittler ist es zu verdanken, daß der Blick der Kulturwissenschaften für die technischen Bedingungen der Medien geschärft wurde. Neben diesen unbestreitbaren Verdiensten wird ihm aber auch vorgeworfen, einem gewissen Technizismus zu huldigen und die Bedeutung der sozialen Prozesse zu übersehen, die technische Entwicklungen überhaupt erst möglich machen.

© JK

Wichtige Schriften

  • Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften. Programme des Poststrukturalismus. Paderborn 1980.
  • Aufschreibesysteme 1800 · 1900. München 1985.
  • Grammophon Film Typewriter. München 1986.

Sekundärliteratur

  • Frank Hartmann: Friedrich Kittler, in: Information Philosophie 25 (1997) 4, S. 40-44.